Wer auffährt, hat Schuld, heißt es im Volksmund. Dass dies nicht zwingend auch vor Gericht gelten muss, zeigt ein aktuelles Gerichtsurteil.

Kann der Halter eines Fahrzeuges nicht beweisen, dass der Fahrer des hinter ihm fahrenden Autos aufgefahren ist, so kann er für sich auch keine Beweiserleichterung in Form des sogenannten Anscheinsbeweises in Anspruch nehmen. Das hat das Oberlandesgericht Hamm kürzlich entschieden (Az.: 6 U 205/09).

Ein Mercedes und ein Porsche hatten hintereinander vor einer Kreuzung angehalten. Kurz darauf kam es zu einer Kollision zwischen den beiden Fahrzeugen. Doch während die Fahrerin des Porsches behauptete, der Mercedesfahrer sei plötzlich zurückgefahren, sagte dieser aus, dass die Porschefahrerin auf sein Fahrzeug aufgefahren sei.

Zur Untermauerung seiner Behauptung berief sich der Halter des Mercedes auf den sogenannten Beweis des ersten Anscheins. Danach spricht zum Beispiel bei einem Auffahrunfall zunächst einmal alles für ein Verschulden des Auffahrenden. Der Auffahrende muss folglich beweisen, dass er den Unfall nicht verursacht hat.

Eine Frage des Beweises

Nach Meinung des Mercedesfahrers spricht aber die Lebenserfahrung dafür, dass bei einer Kollision an der Haltelinie einer Kreuzung nicht etwa der Vordermann sein Fahrzeug zurückgesetzt, sondern der Hintermann aufgefahren ist.

Dem wollten die Richter des Hammer Oberlandesgerichts zwar grundsätzlich nicht widersprechen. Sie gaben der Klage der Porschefahrerin auf Zahlung von Schadenersatz gleichwohl zumindest teilweise statt.

Ein Autofahrer, der nach einem behaupteten Auffahrunfall den sogenannten Beweis des ersten Anscheins für sich in Anspruch nehmen will, muss zunächst einmal beweisen, dass es überhaupt zu einem Auffahrunfall gekommen ist. Kann er diesen Beweis nicht erbringen, so greift der Anscheinsbeweis nicht.

In dem zu entscheidenden Fall war es lediglich unstreitig, dass es zu einer Kollision zwischen dem Mercedes und dem Porsche gekommen war. Ob die Beschädigung im Frontbereich des Porsches durch dessen Auffahren oder aber durch ein Zurücksetzen des Mercedes verursacht wurde, konnte jedoch nicht geklärt werden.

Schadenteilung

Ein von dem Gericht beauftragter Sachverständiger hatte nämlich ausgesagt, dass die Beschädigungen aus technischer Sicht durch beide Arten der Kollision verursacht worden sein konnten.

Unter den gegebenen Umständen hielt es das Gericht für nicht erwiesen, dass die Porschefahrerin auf den vor ihr stehenden Mercedes aufgefahren war. Angesichts der ungeklärten Unfallursache verurteilte das Gericht den Versicherer des Mercedes daher dazu, sich mit einer Quote von 50 Prozent an dem Schaden des Porsches zu beteiligen.

 

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